Altes Saatgut

Gericht gibt altes Saatguat frei

Eine empfindliche Schlappe mussten die Großkonzerne Monsanto und Bayer hinnehmen, da der Europäische Gerichtshof den Bauern der EU zugesteht, ihr Saatgut auch aus alten, amtlich nicht anerkannten Pflanzensorten herzustellen. Die beiden Marktführer hatten darauf gepocht, dass die Bauern in der EU nur amtlich zugelassenes Saatgut verwenden dürfen. Doch der Entschluss der Richter hat nun große Auswirkungen auf die Bauern, die Verbraucher und die Agrarindustrie, indem er die Rechte der Bauern und auch der Verbraucher stärkt, sich für die altbekannten Pflanzensorten zu entscheiden. Diese Entscheidung kommt vor allem auch den ökologisch orientierten Bauern entgegen, die gern auf alte Saatgutsorten zurück greifen.

Der Rechtstreit hatte sich in Frankreich entzündet, wo ein bäuerliches Saatgutnetz 461 Pflanzsorten im ihrem Sortiment im Angebot hatten, die nicht im Sortenkatalog der offiziellen Stellen eingetragen waren. Daraufhin verklagte der Saatgut Konzern Graines Baumax das Saatgutnetzwerk Kokopelli auf Schadensersatz in Höhe von 50.000 Euro. Dabei ging es dem Saatguthersteller auch um ein Vermarktungsverbot der amtlich nicht anerkannten Pflanzensorten. Die großen Saatguthersteller wie Monsanto oder Syngenta beherrschen inzwischen zwei Drittel des Marktes für Saatgut in der ganzen Welt. Doch nicht alle Bauern sind mit Angeboten der Agraindustrie und den damit verbundenen hohen Kosten einverstanden.

Die Vertreterin des österreichischen Kleinbauern Vereinigung Via Campesina Heike Schiebeck ist jedoch der Meinung, dass es den Großkonzernen nur zum Teil um das Saatgut und die Marktbeherrschung geht. Ihnen geht es vor allem darum, sich Patente und Eigentumsrechte an allen Kulturpflanzen zu sichern. Dabei haben die Konzerne nicht nur die genetisch manipulierten Pflanzen im Auge, sondern auch natürlich gewachsene Pflanzensorten, die besondere Eigenschaften aufweisen. Diese Eigentumsrechte und Patente führen dazu, dass die Bauern in eine Abhängigkeit den Konzernen gegenüber geraten, die ihnen dann nicht nur das Saatgut liefern, sondern auch den entsprechenden Dünger und die Pestizide, deren Kosten inzwischen den fünffachen Wert des Saatgutes betragen und so die Produktionskosten explodieren lassen.

Viele sehen im Kampf um das Saatgut eine Art Befreiungskampf der Bauern für ihre zukünftige Selbständigkeit. Auch die Generalanwältin der EuGH Juliana Kokott zeigt in ihrem Rechtsgutachten auf, dass die Bauern ihrer Meinung nach auch gegen ihren Willen dazu gezwungen werden sollten, auf die Produkte der Agrarindustrie zurückzugreifen. Doch sie vertrat die Meinung, dass die Bauern allein entscheiden sollten, welches Saatgut sie zum Anbau nutzen. Zudem führe die reine Verwendung von amtlich zugelassenem Saatgut zu einer Verarmung an Sortenvielfalt, was zu einer bedenklichen Vormachtsstellung der Agrarindustrie führen könne. So könnten zum Beispiel Sorten verloren gehen, die sich vielleicht dem Klimawandel besser anpassen können oder gegen Krankheiten unempfindlicher sind.

Juliana Kokott führte ebenfalls an, dass durch eine Übermacht der Agrarkonzerne und ihrer Produkte auch die Rechte der Verbraucher eingeschränkt würden, denn sie müssten sich ebenfalls mit den Produkten der Industrie begnügen statt aus einem unfangreichen Angebot auswählen zu können. Zudem hätte die EU-Anbaurichtlinie auch für ganz normale Gärtner und Gartenbesitzer gegolten. Auch sie hätten dann auf die Produkte der Agrarindustrie zurückgreifen müssen, wenn sie Tomaten oder Gurken anpflanzen wollen. Dank des Urteils können die Kleingärtner auch zukünftig in ihrem Garten das anbauen, was sie wollen ohne dabei die EU-Richtlinien beachten zu müssen. Diese Entscheidung des EU-Gerichtes ermöglicht auch den Verbrauchern, die gerne biologisch erzeugtes Obst und Gemüse kaufen, zukünftige aromatische oder alte Gemüsesorten zu kaufen. Für diese ökologisch interessierte Käuferschicht ist eh der Geschmack einer Ware wichtiger als ein perfektes Äußeres.